11.8.2011

Die Hype-Achterbahn


„Facebook wächst als Werbeplattform rasant“ (Horizont.net)

„Ist Facebook doch nicht mehr als ein Hype, der bald wieder vorbei ist?“ (W&V)

„Facebook-User haben […] großes Interesse an Marken-Sites“ (W&V)

„Facebook-Fans nehmen Marken nur am Rande wahr“ (Horizont.net)

“Facebook hat Relevanz als Vertriebskanal bewiesen” (Horizont.net)

„Facebook bringt der Marke weniger als man sich einredet“ (W&V)

Was für ein Schauspiel, das die Werbebranche für jeden neuen Digital-Trend inszeniert.

Die Trends lassen keinen kalt. Wer im Auf und Ab der Hype-Achterbahn mitfährt, dem wird entweder schwindlig, oder er findet´s geil. Gesunder Menschenverstand? Reflexion? Keine Zeit für solche Späße! Denn schon rollt der nächste Wagen los: „10 Gründe, warum Google+ Facebook nicht schlagen wird“ (fbwatchblog.de) „G+ als Plattform einer neuen Web-Wirtschaft“ (W&V) …

Wie soll man da einen kühlen Kopf bewahren? Am besten mit einem Blick ins Internet-Archiv und einer Rückschau auf einige erstaunliche Auswüchse der Achterbahnfahrt aus den letzten 15 Jahren:
3D Interfaces
Sie machten das neue Computermedium anfassbar: dreidimensionale, haptische Interfaces. Wie diese als Einkaufs-Mall gestaltete Homepage der Dresdner Bank von 1997. Jetzt noch das Fiepsen eines Dial-Up-Modems dazu, und der multisensuale Markenauftritt ist perfekt!

Avatare:
Komplexe Sachverhalte sollten sie erklären. Mit menschlicher Wärme. Und so trieben sie – angeführt von Robert T-Online, der es sogar ins Fernsehen schaffte – ab ca. 2001 ihr Unwesen auf Marken-Websites. Tatsächlich waren die Dialoge mit ihnen oft komplizierter als die zu erklärenden Produkte. Einige der Avatare leben noch. Wie zum Beispiel „Eve“ von Yellostrom:

Eve: „Falls sie noch Fragen haben, wissen sie ja wo Sie mich finden“
Ich: „Wo denn?“
Eve: „Was, was, was? Habe ich mich unklar ausgedrückt?! Tut mir leid. Mal was anderes, gehen Sie gern ins Kino?“
Ich: „Ja, warum?“
Eve: „Ich habe mir neulich mit meinen Freundinnen “Wasser für die Elefanten” mit Robert Pattinson angeguckt. Hach, wenn ich nicht schon vergeben wäre. Der Film feiert die Liebe, eine vergangene Ära und die Welt des Zirkus.“
Ich: „Klingt kitschig“
Eve: „Tut mir leid, aber ich habe Sie gerade nicht genau verstanden. Wussten Sie eigentlich, dass wir die Preisgarantie für unseren Tarif Yello Strom Classic bis zum 31. Dezember 2012 verlängern, wenn Sie jetzt wechseln?“

Portale:
Sie waren Anfang des neuen Jahrtausends das große Ding. Die Portale. Marken nahmen sich Yahoo!, MSN und T-Online zum Vorbild, und kopierten deren „mehrwertige“ Inhalte. Die Folge: jeder Schraubenhersteller bot Wetterbericht, Business-News, Routenplaner und einen SMS- und E-Mail-Service auf seiner Website. Der Höhepunkt der Portal-Welle: Mercedes – mit eigenem Subportal bei T-Online.

Das Content-Angebot? Eine bunte Mischung: Routenplanung, Stau- und Wettermeldungen, Kalender, E-Mail, SMS und aktuelle Nachrichten. (Industrieanzeiger.de)
Die Ziele? Nicht weniger bunt: „Daimler will in den nächsten drei Jahren insgesamt etwa zwölf Millionen Euro in das Portal investieren und plant mit T-Online den Break-Even im dritten Geschäftsjahr.“ (Auto Motor und Sport)

Secondlife:
54% der 3D-Bevölkerung von Secondlife waren 2007 Europäer. Und so kündigte die EU folgerichtig an, eine Vertretung in Secondlife zu eröffnen (EUobserver). Zuvor hatte bereits Sarkozy einen Wahlkampfstand in Secondlife, an dem 3D-Pizza und 3D-T-Shirts verteilt wurden.
Zur EU-Vertretung ist heute leider nichts genaueres mehr zu finden. Vermutung: die Ausschreibungsunterlagen waren noch nicht fertig, als Secondlife schon wieder an Popularität verlor.

Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben und so gab es im letzten Herbst spannende Neuigkeiten: „EU plant Second-Life ähnliches Social Network“ (ZDnet).

Na also, das wird noch was. Bitte auch dran denken, einen +1-Button einzubauen!

Weitersagen